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NARBENBRUCH
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LAPAROSKOPISCHE HERNIENREPARATION
Jan F. Kukleta, publiziert in Mittelpunkt, Nr.2/2003

Narbenbrüche stellen eine häufige Problematik der  Bauchchirurgie dar. Nach einer Bauchoperation mit herkömmlichen Wundverschluss entwickeln 10 - 20 % aller Patienten innert fünf Jahren einen Narbenbruch. Grund der Entstehung eines Defektes der chirurgisch korrekt verschlossenen Bauchwand liegt in einer allgemeinen Wundheilungsstörung mit ungenügender Wandfestigkeit und reduzierter Belastbarkeit als Folge.

Es kommt zu einer zunehmenden Vorwölbung im ehemaligen Schnittbereich, später fallen Eingeweide und Fettgewebszotten vor die Bauchdecke, was mit unterschiedlich intensiven Beschwerden verbunden ist. Durch einen erhöhten Bauchinnendruck, zum Beispiel bei Husten, Niesen, Pressen oder Sport, vergrössert sich der Vorfall, in Ruhe oder im Liegen verschwindet er meistens spontan.

Hauptursachen und Risikofaktoren der Narbenbrüche, auch Narbenhernien genannt, sind: Wundinfekt, Übergewicht, Nahtspannung, hohes Alter, bösartige Erkrankungen, entzündliche Baucherkrankungen, Zuckerkrankheit, Nikotin, lange Operationsdauer, Blutverlust, etc. Längsschnitte sind ausserdem anfälliger als Querschnitte.

Ein Wandel bahnt sich an
Die konventionelle Versorgung der Narbenhernien durch eine direkte Naht und Wanddoppelung weisst je nach Defektgrösse eine bis zu 50 %ige Rückfallsrate. Ein inakzetables Resultat!
Die Erkenntnis, das nur die Verstärkung der Bauchwand durch ein nicht resorbierbares Netz zu besseren Ergebnissen führt, ist nicht neu. Die früher rigirose Zurückhaltung in Bezug auf die Implantation von Fremdmaterialien ist nach heutigem Wissensstand allerdings nicht mehr gerechtfertigt. Die schlechten Resultate der netzfreien Versorgung einerseits und die Erfolgsgeschichte der Kunststoffnetze in der Leistenbruchbehandlung anderseits haben den Wandel in der Reparation der Narbenhernien eingeleitet.

Nun ein mechanisch exzellentes, nicht resorbierbares Material allein genügt nicht. Vielmehr braucht man ein breites Spezialwissen über verschiedene Operationstechniken, die Erfahrung mit unterschiedlichen Materialien und variable Einsatzstrategien, um jedem Patienten in seiner individuellen Problematik und unter Berücksichtigung des Kosten-Nutzen-
Verhältnisses die bestmögliche Lösung anzubieten.

Vergleich der Implantationstechniken
Der offene Zugang erlaubt nach Auftrennung der alten Narbe eine Netzimplantation hinter oder über der Muskelschicht. Die effektive Wundfläche wird riesig, die Wundflüssigkeitsproduktion enorm und das Infektrisiko steigt beträchtlich. Der Wundschmerz ist verständlich, da die ursprüngliche Wunde in ihrer ganzen Ausdehnung geöffnet und nach Möglichkeit - trotz bestimmter Spannung - verschlossen wird.

Die durch den Verschluss des Defektes entstehende Spannung fällt bei der laparoskopischen Variante der Narbenbruchreparation gänzlich weg. Der Wanddefekt (meistens mehrere ineinander fliessende Löcher - "swiss cheese defects") und die gesamte frühere Narbe werden von praktisch immer vorhandenen Verwachsungen befreit und von innen grossflächig mit einem Spezialnetz abgedeckt, sozusagen überdacht. Diese wird mit mehreren Nähten und zahlreichen Spiralclips and der Bauchwand fixiert. Die hierfür benötigten drei bis vier Zugänge sind zwischen 5 und 10 mm gross und werden in der Regel in der linken Flanke angelegt.

Das Netz muss zwei unterschiedlich Oberflächen aufweisen: Bauchwandseitig soll die Oberfläche das Einwachsen des Narbengewebes in die grobmaschige Netzstruktur ermöglichen, damit eine dauerhafte Fixation gewährleistet ist. Die Innenseite hat das Auftreten von nachteiligen Verwachsungen und einen direkten Kontakt des Netzes mit den Darmschlingen zu minimieren oder zu verhindern. Seitdem solche Netze hierzulande verfügbar sind, setzen wir sie bei der überwiegenden Mehrheit der Patienten zur laparoskopischen Narbenbruchreparation ein.

Der ausschlaggebende Faktor zugunsten der minimal invasiven Methode war die dramatische Reduktion des Infektrisikos und eine deutliche Verbesserung des Rückfallrisikos. Die postoperative Schmerzentwicklung ist ebenfalls günstiger als bei der offenen Technik, weshalb der notwendige Spitalaufenthalt verkürzt werden kann.

Bereicherung der Behandlungsmöglichkeiten
Die endoskopische Operationstechnik ist sicher nicht für alle Patienten und alle Bruchformen geeignet. Die wichtigste Einschränkung stellt das Ausmass der Verwachsungen (lat. Adhäsionen) dar. Obwohl die Lösung der Verwachsungen einen technisch sehr hohen Schwierigkeitsgrad aufweisen kann, kommt ein Umsteigen auf ein offenes Verfahren bei geübten Händen selten vor.

Im Einklang mit dem internationalen Schrifttum bedeutet die laparoskopische Narbenhernienreparation auch für uns eine wichtige Erweiterung des Behandlungsrepertoires, welche die konventionellen Verfahren  in greifbarar Zukunft mehrheitlich ablösen wird.

Durch Minimierung des chirurgischen Traumas wird nicht nur der lebensqualitative, sondern auch der volkswirtschaftliche Aspekt der Behandlung in hohem Masse berücksichtigt: weniger Schmerz, kürzere Hospitalisation, kürzere Rekonvaleszens, frühere Reintegration ins normale Leben und damit kürzere Arbeitsunfähigkeit sowie weniger Folgeschäden und Folgebehandlungen. Einmal mehr führt der technologische Mehraufwand gesamtheitlich betrachtet zur Verbesserung des gesellschaftlichen Kosten-Nutzen-Verhältnisses.